Irgendwann ist die auch beste Party zu Ende. Oft will man dann noch eine Schippe drauflegen. Selten geht das gut aus. Das ist der Punkt, an dem die Serie "Beat" beginnt, eine Art Nekrolog auf das Berliner Nachtleben, wo sich Geschäftemacher in die Klubs einkaufen, während die Helden der Szene weiterhin zu exquisiten Beats in den nächsten oder übernächsten Morgen tanzen. Tot, aber sexy.
Im Zentrum steht der Klub-Promoter Robert Schlag, genannt Beat, trotz junger Jahre schon ein Veteran der guten alten Zeit, der nicht mitmachen will beim großen Berlin-Ausverkauf. Jannis Niewöhner spielt ihn als Rausch-Idealisten und Logistiker des guten Geschmacks, der unermüdlich seine Runden durch die Läden zieht, seinen Kunden DJs, Drogen und Glücksverstärker aller Art vermittelt, damit alle optimal den Moment auskosten können. Das Wow ist das Ziel.
Der Titeltrack zu "Beat" stammt vom Berliner Breakcore- und Dubstep-Musiker Ben Lukas Boysen, das Schlussstück vom Berghain-DJ Marcel Dettmann. Umgekehrt wäre es zwar schöner gewesen, aber auch so entwickelt die Erzählung einen angenehmen, lakonischen, exquisiten Puls, der ganz im Sinne des Connaisseurs Beat sein dürfte.
Fotostrecke
In den schönsten Szenen sieht man Niewöhners Duracell-Affen, wie er sich herzergreifend euphorisiert durch Klubs trommelt. Das Koks und die Körper, der Rhythmus und das Licht: Die Serie nutzt die unvermeidlichen Zutaten, ohne jene Überstilisierung aufzufahren, wie man sie sonst in Kino- oder Fernsehproduktionen sieht, weil dort immer alles ganz schnell auf den Punkt gebracht werden muss. Der Rausch ist in "Beat" ein langer ruhiger Fluss; die vom Tanzen warmen, weich wogenden Leiber sind einladend inszeniert wie ein Daunenbett, in das man sich fallen lassen kann. Doch dann: Blut auf der Tanzfläche.
Der Einbruch des Bösen ins Ekstase-Elysium hat in "Beat" einen kleinbürgerlichen Hintergrund. Beats Partner (Hanno Koffler) hat inzwischen Familie, um den Klub der beiden gewinnbringend am Laufen zu halten, holt er sich ohne Rücksprache einen Investor ins Boot: den undurchsichtigen Unternehmer (Alexander Fehling). Auch der sieht sich als Logistiker, der den Leuten gibt, wonach sie verlangen; er hat seine Hände in allem, was besonders anrüchig und einträglich ist, Organhandel und Waffengeschäfte inklusive.
Es gibt ein richtiges im falschen Leben
Der Krimi-Plot in "Beat" ist sehr salopp gestrickt. Der Puls des Nachtlebens, so die These der Serienmacher, sei mit dem Kreislauf menschenverachtender Geschäfte verbunden, die Drogengeschäfte mit den Waffengeschäften, der Organhandel mit den Flüchtlingsströmen. Regisseur Marco Kreuzpaintner, der in den USA schon den Menschenhandel-Thriller "Trade" gedreht hat, aber auch immer wieder queere Stoffe ins deutsche Mainstream-Kino schmuggelte, findet lange, suggestive Szenenfolgen, die aus den Krisengebieten Afrikas direkt nach Berlin-Kreuzberg führen.
Doch dieser Aspekt von "Beat" bleibt schwach - auch weil hier noch ein Geheimdienst mitmischt, deren Repräsentanten (Christian Berkel, Karoline Herfurth) im Gegensatz zu den schillernden Klubgängern sehr blass bleiben. Für das Grau-in-Grau-Geheimdienstbüro scheint kein Geld mehr dagewesen zu sein, die Klubs leuchten umso einladender.
"Babylon Berlin", "Beat", "Das Boot"Das sind die deutschen Serien-Hoffnungen
Der Partymythos Berlin oder Geschichtsstunden in Sachen NS- und SED-Diktatur, das sind die beiden Themenfelder, durch die deutsche Serien bislang im Ausland punkten konnten und die auch beim aktuellen Boom an Produktionen abgerufen werden. Mit der DDR-Thrillerserie "Deutschland86" hat Amazon Prime das Historienstück gerade im Oktober an den Start gebracht, jetzt folgt der Party-Kracher.
Dekorateur des Todes
Doch beim Last-Days-of-Disco-Spektakel von "Beat" (Drehbuch: Norbert Einlein) verwandeln sich die Tanztableaus bald zu Todestableaus. Das hat auch mit der neben Beat zweiten zentralen Figur zu tun, einem von Kostja Ullmann mit liebevoller poetischer Seite gespielten Psychopathen, der sich als ein Dekorateur des Todes geriert. In einer Szene kommt ein Geheimdienstler nach Hause, auf einem Stuhl eine weibliche Leiche mit herausgeschnittenem Herzen im Arm. Dazu eine Schrifttafel: "Help me, Pop!" Fast voll ausgespielt dröhnt Peter Alexanders "Der Papa wird's schon richten" in die lustvoll arrangierte Szene.
Ein Stilprinzip, das die Serienmacher aus modernen Klassikern wie " Mad Men" übernommen haben und konsequent in ihren sieben knapp einstündigen Folgen ausformulieren. Die Verschränkung von Musik und Bild funktioniert auch noch mal besonders gut am Ende der fünften Folge, bei einer detailsatt ausgeschmückten Orgie in den Hotelsuiten eines russischen Unternehmers, über die das melancholische "Zusammen im Kreis" von Chapeau Claque gelegt wird: "Dreh dich Liebster, dreh dich schneller/Dreh dich ganz zu mir, du weißt/Die Zeit, die uns noch bleibt, ist endlich/Drehen wir uns, solang sie reicht."
Ekstase, Erschöpfung, Endlichkeit: "Beat" erzählt davon in aufregenden Bildern und erweckt gerade dadurch die Hoffnung, dass es mit dem über die Jahrzehnte immer wieder totgesagten Berliner Nachtleben dann doch weiter geht. Die Leiche zuckt ja noch.
Im Zentrum steht der Klub-Promoter Robert Schlag, genannt Beat, trotz junger Jahre schon ein Veteran der guten alten Zeit, der nicht mitmachen will beim großen Berlin-Ausverkauf. Jannis Niewöhner spielt ihn als Rausch-Idealisten und Logistiker des guten Geschmacks, der unermüdlich seine Runden durch die Läden zieht, seinen Kunden DJs, Drogen und Glücksverstärker aller Art vermittelt, damit alle optimal den Moment auskosten können. Das Wow ist das Ziel.
Der Titeltrack zu "Beat" stammt vom Berliner Breakcore- und Dubstep-Musiker Ben Lukas Boysen, das Schlussstück vom Berghain-DJ Marcel Dettmann. Umgekehrt wäre es zwar schöner gewesen, aber auch so entwickelt die Erzählung einen angenehmen, lakonischen, exquisiten Puls, der ganz im Sinne des Connaisseurs Beat sein dürfte.
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In den schönsten Szenen sieht man Niewöhners Duracell-Affen, wie er sich herzergreifend euphorisiert durch Klubs trommelt. Das Koks und die Körper, der Rhythmus und das Licht: Die Serie nutzt die unvermeidlichen Zutaten, ohne jene Überstilisierung aufzufahren, wie man sie sonst in Kino- oder Fernsehproduktionen sieht, weil dort immer alles ganz schnell auf den Punkt gebracht werden muss. Der Rausch ist in "Beat" ein langer ruhiger Fluss; die vom Tanzen warmen, weich wogenden Leiber sind einladend inszeniert wie ein Daunenbett, in das man sich fallen lassen kann. Doch dann: Blut auf der Tanzfläche.
Der Einbruch des Bösen ins Ekstase-Elysium hat in "Beat" einen kleinbürgerlichen Hintergrund. Beats Partner (Hanno Koffler) hat inzwischen Familie, um den Klub der beiden gewinnbringend am Laufen zu halten, holt er sich ohne Rücksprache einen Investor ins Boot: den undurchsichtigen Unternehmer (Alexander Fehling). Auch der sieht sich als Logistiker, der den Leuten gibt, wonach sie verlangen; er hat seine Hände in allem, was besonders anrüchig und einträglich ist, Organhandel und Waffengeschäfte inklusive.
Es gibt ein richtiges im falschen Leben
Der Krimi-Plot in "Beat" ist sehr salopp gestrickt. Der Puls des Nachtlebens, so die These der Serienmacher, sei mit dem Kreislauf menschenverachtender Geschäfte verbunden, die Drogengeschäfte mit den Waffengeschäften, der Organhandel mit den Flüchtlingsströmen. Regisseur Marco Kreuzpaintner, der in den USA schon den Menschenhandel-Thriller "Trade" gedreht hat, aber auch immer wieder queere Stoffe ins deutsche Mainstream-Kino schmuggelte, findet lange, suggestive Szenenfolgen, die aus den Krisengebieten Afrikas direkt nach Berlin-Kreuzberg führen.
Doch dieser Aspekt von "Beat" bleibt schwach - auch weil hier noch ein Geheimdienst mitmischt, deren Repräsentanten (Christian Berkel, Karoline Herfurth) im Gegensatz zu den schillernden Klubgängern sehr blass bleiben. Für das Grau-in-Grau-Geheimdienstbüro scheint kein Geld mehr dagewesen zu sein, die Klubs leuchten umso einladender.
"Babylon Berlin", "Beat", "Das Boot"Das sind die deutschen Serien-Hoffnungen
Der Partymythos Berlin oder Geschichtsstunden in Sachen NS- und SED-Diktatur, das sind die beiden Themenfelder, durch die deutsche Serien bislang im Ausland punkten konnten und die auch beim aktuellen Boom an Produktionen abgerufen werden. Mit der DDR-Thrillerserie "Deutschland86" hat Amazon Prime das Historienstück gerade im Oktober an den Start gebracht, jetzt folgt der Party-Kracher.
Dekorateur des Todes
Doch beim Last-Days-of-Disco-Spektakel von "Beat" (Drehbuch: Norbert Einlein) verwandeln sich die Tanztableaus bald zu Todestableaus. Das hat auch mit der neben Beat zweiten zentralen Figur zu tun, einem von Kostja Ullmann mit liebevoller poetischer Seite gespielten Psychopathen, der sich als ein Dekorateur des Todes geriert. In einer Szene kommt ein Geheimdienstler nach Hause, auf einem Stuhl eine weibliche Leiche mit herausgeschnittenem Herzen im Arm. Dazu eine Schrifttafel: "Help me, Pop!" Fast voll ausgespielt dröhnt Peter Alexanders "Der Papa wird's schon richten" in die lustvoll arrangierte Szene.
Ein Stilprinzip, das die Serienmacher aus modernen Klassikern wie " Mad Men" übernommen haben und konsequent in ihren sieben knapp einstündigen Folgen ausformulieren. Die Verschränkung von Musik und Bild funktioniert auch noch mal besonders gut am Ende der fünften Folge, bei einer detailsatt ausgeschmückten Orgie in den Hotelsuiten eines russischen Unternehmers, über die das melancholische "Zusammen im Kreis" von Chapeau Claque gelegt wird: "Dreh dich Liebster, dreh dich schneller/Dreh dich ganz zu mir, du weißt/Die Zeit, die uns noch bleibt, ist endlich/Drehen wir uns, solang sie reicht."
Ekstase, Erschöpfung, Endlichkeit: "Beat" erzählt davon in aufregenden Bildern und erweckt gerade dadurch die Hoffnung, dass es mit dem über die Jahrzehnte immer wieder totgesagten Berliner Nachtleben dann doch weiter geht. Die Leiche zuckt ja noch.
Wird natürlich definitiv geschaut! Und weckt natürlich Erinnerungen an die "große Berliner-Partyzeit" Anfang der 90er, wenngleich die damaligen Momente und Eindrücke im Tresor, E-Werk, Bunker etc., an denen ich damals glücklicherweise Teil hatte, hier leider nicht im Fokus stehen. Allerdings wäre eine Club-Serie/-Film mit dem Fokus auf den frühen 90ern (bis 93) einfach ein Traum. In Zeiten von "30 Jahre Techno in Berlin" eigentlich überfällig. Vielleicht der Moment für "B-Movie 2" oder aber Verfilmungen zu Mobys "Porcelain" oder Westbams "Macht der Nacht"?!...
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