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Für Sama (Waad al-Kateab, Edward Watts | 5.3.2020) - Dokumentarfilm über den Bürgerkrieg in Syrien

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  • Für Sama (Waad al-Kateab, Edward Watts | 5.3.2020) - Dokumentarfilm über den Bürgerkrieg in Syrien

    Kinostart (D)

    5.3.2020


    Inhaltsangabe

    Die Filmemacher Waad al-Kateab und Edward Watts haben einen beeindruckenden Film gedreht. FÜR SAMA (FOR SAMA) ist ein Vermächtnis an al-Kateabs im Krieg geborene Tochter. Über Jahre hat die junge Frau mit ihrem Handy und ihrer Kamera zunächst die Protestbewegungen und dann den furchtbaren Krieg in Syrien dokumentiert. Sie hat das Leid der Menschen und der Personen in ihrer unmittelbaren Nähe aufgezeichnet und findet selbst inmitten der Bombardements Spuren von Freude und Lebensmut. Gerade durch diesen Blick von Innen heraus ist der Film so besonders, so wahr, so entsetzlich und unfassbar. Und doch ist er auch ein Zeugnis für das Miteinander der Menschen, für den Zusammenhalt in Krisenzeiten und für Toleranz.

    Der Film ist ein Liebesbrief der jungen Mutter Waad al-Kateab an ihre Tochter Sama. Über einen Zeitraum von fünf Jahren erzählt sie von ihrem Leben im aufständischen Aleppo, wo sie sich verliebt, heiratet und ihr Kind zur Welt bringt, während um sie herum der verheerende Bürgerkrieg immer größere Zerstörung anrichtet. Ihre Kamera zeigt auf berührende und unmittelbare Weise Verlust, Überleben und Lebensfreude inmitten des Leids. Waad muss sich entscheiden, ob sie fliehen und ihre Tochter in Sicherheit bringen oder bleiben und den Kampf für die Freiheit weiterführen soll, für den sie schon so viel geopfert hat.
    Quelle: Filmperlen (Verleih)


    Trailer




    Kritik

    Trotz zahlreicher Preise und einer Oscar-Nominierung sowie des Vorlaufs im britischen Fernsehen (Inside Aleppo) hatte ich die Dokumentation Für Sama überhaupt nicht auf dem Schirm. Das änderte sich erst, als der obige Trailer im Vorprogramm zu Jojo Rabbit lief. Diese zweieinhalb Minuten bilden ziemlich genau das ab, was den Zuschauer über die gesamte Laufzeit von rund 100 Minuten erwartet.

    Als junge Studentin in Aleppo, begann Waad al-Kateab den Beginn des Aufstandes gegen den syrischen Diktator Baschar Al-Assad mit ihrer Handykamera zu dokumentieren. Um die Opposition im Keim zu ersticken, reagierte das Regime mit äußerster Brutalität und trug so maßgeblich zur Eskalation der Lage bei. Der Film erschöpft sich in der Folge nicht in einer chronologischen Abarbeitung der Ereignisse, die in den Bürgerkrieg mündeten, sondern zeigt nur einige besondere Wegmarken und beschreibt dabei kurz wie die Protagonistin zu den Aufständischen stieß. Er ist insofern ehrlich, als dass dabei niemals die Makroperspektive eines "allwissenden Erzählers" eingenommen wird, sondern die Mikroperspektive der Augenzeugin stets gewahrt bleibt. Sie kann also nur das zeigen, was sie selbst erlebt und v.a. aufgenommen hat. Damit ist der besondere Clou der Dokumentation bereits genannt: Nämlich ist das gesamte Material in Eigenproduktion entstanden. Es gab keinen Rückgriff auf andere dokumentarische oder nachrichtliche Quellen. Aus der Perspektive dieser Frau wird der Zuschauer sowohl Zeuge des eskalierenden Bürgerkrieges als auch intimer Begleiter ihres Lebens, mit allen Höhen und Tiefen unter außergewöhnlich schwierigen Bedingungen.

    Diese Mikroperspektive ist die enorme Stärke, gleichzeitig aber auch die große Herausforderung des Films. Die Stärke besteht darin, den Zuschauer auf diese Weise unglaublich nahe an die Geschehnisse herangeführen zu können und nicht im Abstrakten zu verbleiben. Ungeschönt zeigt die Kamera die Arbeit in dem Behelfskrankenhaus, das Waad und ihr Mann Hamza zur Versorgung der Zivilbevölkerung im Kampfgebiet Ost-Aleppos betrieben haben. Wegen ihrer Drastik sind die Aufnahmen mitunter nur schwer zu ertragen. Viel bedeutender ist diese Unmittelbarkeit des Materials aber in Bezug auf Waad selbst. So lernen wir sie, ihr persönliches Umfeld, v.a. jedoch ihre kleine Tochter, die titelgebende Sama, erstaunlich gut und facettenreich kennen. Deshalb entwickelt der zugrundeliegende Stil eines "Videotagebuchs", das die Mutter an ihre Tochter adressiert, eine ungemeine Sogwirkung. Genauso wenig, wie sie die grausame Realität des Krieges ausspart, scheut die Mutter nicht davor zurück, (sich) essentielle Fragen zu stellen. Diese sind introspektiv und an ihre spezifische Situation in der belagerten Stadt gekoppelt, aber es gibt wohl kaum einen Zuschauer, der davon nicht zur Selbstreflexion angeregt wird. Letztlich gipfelt diese Sinnsuche in der Frage, ob es überhaupt "fair" war, ein Kind in diese Welt zu bringen und es solchen Zuständen (weiterhin) auszusetzen. In beiden Beispielen handelt es sich um hoch emotionale Momente, die gleichzeitig eine große suggestive Wirkung entfalten. Dementsprechend fällt es nicht leicht, durchgängig kritische Distanz zu wahren. Mangels Kontextualisierung wirken solche Szenen - und dies ist eben die Schwäche der gewählten Perspektivverengung - schier übermächtig auf das Publikum ein.

    Eine gewisse Form von Überwältigungseffekt entsteht weiterhin durch wiederholte Zeitsprünge in der Erzählabfolge (vor und zurück). In Kombination mit der fehlenden Einordnung ist Für Sama damit alles andere als voraussetzungsfrei. Vielmehr verlangt die Dokumentation a) beständige Aufmerksamkeit und b) zumindest ein rudimentäres Verständnis darüber, welche Fraktionen/Allianzen sich im syrischen Bürgerkrieg bzw. explizit während der Belagerung Ost-Aleppos von Sommer bis Ende 2016 gegenüberstanden, um eben der Suggestion nicht auf den Leim zu gehen. Ohne ein solches Wissen gehen relativierende Aussagen wie "Islamisten versuchten die Revolution zu unterwandern, aber keine ihrer Taten waren so schlimm wie die des Regimes" leicht in dem Bildersturm unter. Hier wird nur zu gerne mit dem im "Westen" so beliebten Bild der unschuldig gebliebenen Aufständischen operiert, wo doch de facto zu diesem Zeitpunkt bereits eine wesentlich komplexere Gemengelage Einzug gefunden hatte. Nicht, dass es falsch rüberkommt: Ich unterstelle dem Film keine Beeinflussung, aber es lässt sich nicht bestreiten, dass das zugrundeliegende Material eben nur eine sehr spezifische Seite des Konflikts erzählt bzw. erzählen kann.

    Rückt man allerdings von diesen politischen Perspektive ab und führt sich vor Augen, dass es Für Sama in seiner Anlage auch gar nicht darum geht, den syrischen Bürgerkrieg in all seinen Verästelungen und der ganzen Komplexität zu erklären, ist die Dokumentation im Kern ein eindrückliches Dokument gegen d(ies)en Krieg. Denn sie zeigt, dass Menschen trotz apokalyptischer Zustände nicht zwangsläufig ihre Menschlichkeit verlieren; dass sie sich trotz der Allgegenwart von Tod und Verwundung sowie der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage nicht dem Fatalismus oder Fanatismus hingeben; dass die wenigsten gerne oder freiwillig ihre Heimat verlassen haben, um sich in eine ungewisse Zukunft aufzumachen. Gerade unter aktuellen Gegebenheiten eine bedeutende Botschaft.

    Der Regie ist es in außergewöhnlicher Weise gelungen, diese Erkenntnisse aus dem Material herauszuschälen. Für Sama ist ein wichtiger Film, weil er glasklar zeigt, wie brutal sich der Kampf um Macht und Einfluss konkret auswirkt. Es ist aber auch ein Film, der weiterer Einordnung und vernünftiger Quellenkritik bedarf.

    Eine Punktebewertung halte ich bei diesem Film für nicht angemessen und verzichte deshalb darauf.
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